29. September 2007

Eine Putschstrategie



Die Extremisten um Bundesinnenminister Schäuble schüren die Terrorhysterie, um die Grundrechte weitgehend beseitigen zu können

Von Jürgen Elsässer

In dem Film «V wie Vendetta» aus dem Jahr 2006 hat sich die älteste Demokratie der Welt in eine Diktatur verwandelt: Im Großbritannien des Jahres 2018 schlägt Big Ben noch brav die Stunden, die BBC sendet weiter Nachrichten und Musik, im ehrwürdigen Parlament streiten Abgeordnete – doch all das ist nur noch Lüge und Fassade.

Die alleinige Macht liegt in den Händen der Einheitspartei «Norsefire», die die Bürger mit umfassender Überwachung und nächtlichen Rollkommandos unter Kontrolle hält. Die christlich-fundamentalistische Diktatur fußt auf Furcht und Propaganda: «Strength through unity. Unity through faith.»Die Bevölkerung wird durch gleichgeschaltete TV-Sender permanent indoktriniert, Schwule sind im KZ, es gibt «Schwarze Listen» verbotener Dinge, auf denen sich der Koran ebenso findet wie Tschaikowskis «1812»-Overtüre und die Bilder von Robert Mapplethorpe. Die Ultra-Evangelikalen kamen in Folge eines Giftgasanschlages mit mehreren tausend Toten zur Macht, der moslemischen Terroristen in die Schuhe geschoben, aber vom eigenen Geheimdienst inszeniert worden war. Die im Film eingespielten Doku-Fetzen von einem Terrorplot in der Londoner Innenstadt könnten Originale sein – aufgenommen am 7. Juli 2005.

Alles nur Social-fiction? Wie weit sind die westlichen Staaten von dieser Antiutopie entfernt? Während des Präsidentschaftswahlkampfes im Oktober 2000 witzelte George W. Bush: «Wenn wir in einer Diktatur leben würden, wäre es viel einfacher, jedenfalls solange ich Diktator wäre.» Lediglich ein schlechter Scherz? Selbst dem früheren Präsidenten-Berater John Dean ist es nicht ganz wohl: «Ich bin besorgt, weil ein proto-faschistisches Verhalten zu erkennen ist, ein Verhalten mit faschistischen Grundmustern. – Sind wir deswegen also auf dem Weg in den Faschismus? – Nein. Aber wir sind davon nicht weit entfernt. – Menschen, die davon etwas verstehen, sagen, daß der Faschismus bei uns mit einem lächelnden Antlitz auftritt und uns dazu bewegt, dort freiwillig Rechte aufzugeben, wo wir vielleicht einmal sagen werden: ‹Hätten wir das doch nie getan!›» Energischer die Warnung des US-amerikanischen Bestsellerautors Norman Mailer («Die Nackten und die Toten»). Er schlug im Jahr 2003 Alarm: «Wir sehen die Vorzeichen drastischer gesellschaftlicher Veränderungen. Wo werden sie enden? Die Antwort lautet: Es könnte eine Form von Faschismus kommen. Allerdings wird es eine banale Ausprägung des Faschismus sein, bis es wieder zu einer Katastrophe kommt. Drei oder vier Attentate wie am 11. September, und Amerika ist ein faschistisches Land.»

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